Wilhelm Neurohr

Das zweite Europäische Sozialforum der Zivilgesellschaft vom 12. bis 16. November an mehreren Veranstaltungsorten in und um Paris endete mit einem Treffen der sozialen Bewegungen und einer eindrucksvollen und friedlichen Abschlussdemonstration mit 100.000 Teilnehmern aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Russland im Zentrum von Paris unter dem Motto: „Für ein anderes Europa in einer anderen Welt“. Auf den Transparenten der künstlerisch begleiteten Abschlussveranstaltung war zu lesen: „Für ein Europa der Bürgerrechte in einer Welt ohne Krieg“ oder „Für ein demokratisches Europa der Bürger und Völker“.

Zuvor hatten 60.000 Menschen in etwa 250 Seminaren und ebenso vielen Workshops sowie auf 55 großen Plenarveranstaltungen mit 900 geladenen Rednern, deren Veranstaltungen simultan in 6 Sprachen übersetzt wurden, mehrere Tage um die soziale Frage in Europa gerungen, um Alternativen für ein anderes Europa, das entscheidend mitwirken kann bei Aufbau einer anderen Welt. Angeboten wurden Workshops u.a. für soziale Gerechtigkeit, für Steuergerechtigkeit, gegen Finanzkriminalität, gegen die Logik des Profits und für ökologisches Gleichgewicht, für ein Europa der demokratischen und sozialen Rechte sowie für ein Europa demokratischer Informationen, Kultur und Bildung.

Entwickelt wurden Alternativen zur herkömmlichen Politik des Sozialabbaus mit anderen Modellen als die der Konzerne für Europa. Das gesamte Forum wurde auch von künstlerischen Elementen begleitet und durchdrungen. Schon die Auftaktveranstaltung zur Eröffnung am 12. November begann mit künstlerischen Darbietungen, von mexikanischen Musikgruppen bis zu rappenden und trommelnden Straßenkindern. Ein buntes Bild war auch die Abschlussdemonstration vom Place de la Republique zum Place de la Nation im Herzen von Paris. Die Veranstaltungen selber fanden in la Vilette, Bobigny, Saint-Denis, Saint Quen und Ivry rund um Paris statt.

Manifest Europa mit Patenschaften, Runden Tischen und Charta der Nachhaltigkeit

In einem „Manifest Europa 2004“ wurde eine Patenschaft für das 21. Jahrhundert zwischen Zivilgesellschaft und EU ausgerufen mit dem Vorhaben eines permanenten Forums der Zivilgesellschaft und eines Runden Tisches zwischen Europäischen Institutionen und der Zivilgesellschaft mit 210 angeschlossenen Organisationen. Ein selbstorganisiertes libertäres Sozialforum im Pariser Vorort Saint Quen und eine Initiative, die sich mit der Globalisierung der sozialen Kämpfe und der Aktionen des zivilen Ungehorsams beschäftigt, wurden angeboten.

Im Frühjahr 2004 ist ein gemeinsamer Europäischer „Aktionstag gegen den sozialen Kahl schlag“ geplant als Initialzündung für eine länderübergreifende Bewegung.

Entworfen wurde eine Charta der nachhaltigen Entwicklung und der repräsentativen, partizipatorischen und paritätischen Demokratie, ferner eine Charta der Regionen und Städte. Bereits das erste europäische Sozialforum 2002 in Florenz war mit 60.000 Teilnehmern ein großer Erfolg. Die weltweite Friedensdemonstration am 15. Februar 2003 mit 18 Mio. Menschen in 660 Städten der Erde war durch einen Aufrufes des Europäischen Sozialforums in Florenz angestoßen worden. Das erste europäische Sozialforum in Florenz, von dem örtliche Sozialforen in vielen Städten und Regionen ausgelöst wurden, war wiederum ausgelöst worden durch das Weltsozialforum in Porto Alegre, das sich dann in diesem Jahr in Cancun fortsetzte und im nächsten Jahr in Indien stattfinden wird. So bleibt die soziale Frage virulent in einem weltweiten Netzwerk der vielen Menschen in der Zivilgesellschaft, die ihr Schicksal selber und gemeinsam in die Hand nehmen, indem sie eigene kreative Alternativen entwickeln, erproben und darleben – ein Sozial- und Kulturimpuls im Sinne der sozialen Dreigliederung