Wilhelm Neurohr

10. Dezember 2022:

Internationaler Tag der Menschenrechte

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat den Internationalen Tag der Menschenrechte, auch bekannt als Human Rights Day, für den 10. Dezember 2022 ausgerufen. Seit 1948 wird an diesem Tag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gedacht. Der Slogan des Tages 2022 lautet: “Würde, Freiheit und Gerechtigkeit für alle”. In 2022 startet zudem eine einjährige Kampagne um dann in 2023 das 75-ste Jubiläum dieser Deklaration zu feiern. Mit dem "Internationalen Tag der Menschenrechte" erinnern die Vereinten Nationen daran, dass diese Rechte weltweit immer wieder verletzt werden – Menschenrechtlern zufolge hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert.

Anlässlich des am 10. Dezember begangenen Tags der Menschenrechte hat die Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejčinović Burić, folgende Erklärung veröffentlicht:

„In schwierigen Situationen können die Staaten versucht sein, den Schutz der Menschenrechte zu lockern. Doch sie sollten das Gegenteil tun: In schweren Zeiten ist es nötiger denn je, das einzigarte Wertesystem, das wir in 70 Jahren aufgebaut haben, zu schützen und umzusetzen. Europa steht derzeit vor einigen großen Aufgaben, daran besteht kein Zweifel: von der Coronavirus-Pandemie über illegale Migration bis zum Klimawandel und gesellschaftlichen Problemen wie dem Anstieg von religiöser Intoleranz, Rassismus, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde entworfen, um die innerstaatlichen Behörden dabei zu unterstützen, die Wahrung der Grundrechte unter allen Umständen zu gewährleisten, und nicht nur in guten Zeiten. Die Konvention und das System, auf dem sie gründet, erfüllen seit über 70 Jahren diese Aufgabe und passen sich den sich wandelnden Bedingungen an. Mehr als 20.000 Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs und ihre Umsetzung durch die 47 Mitgliedsstaaten haben im Alltag der Betroffenen in vielerlei Hinsicht zu echten Verbesserungen geführt – etwa in den Bereichen Gleichstellung, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und Umwelt. Dies nützt auch der Gesellschaft im Allgemeinen.

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen heute unter spürbarem Druck. Wir müssen mehr denn je unseren Werten treu bleiben, die in der Menschenrechtskonvention verankert sind, und für eine rasche und wirksame Umsetzung der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs sorgen.

Im Vorfeld des Tags der Menschenrechte hat der Europarat heute eine aktualisierte und erweiterte Fassung seiner interaktiven Website über den Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention veröffentlicht. Die Website zeigt anhand von rund 175 Beispielen, wie die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in den Mitgliedsstaaten zu erheblichen positiven Veränderungen für die Beschwerdeführenden und für die gesamte Gesellschaft beitrug. Die aktualisierte Fassung der Website umfasst zusätzlich zu den jüngst hinzugefügten Rubriken Freiheit von Gewalt gegen Frauen und Recht auf eine gesunde Umwelt die neue Rubrik Menschenrechte und Gesundheit sowie eine Auswahl neuer Fallbeispiele, Videos und Animationen.

Die Bundeszentralet für politische Bildung schreibt zum Tag der Menschenrechte:

Flüchtende häufiger von Menschenrechtsverletzungen betroffen

Trotz zahlreicher internationaler Abkommen und dem Engagement der Vereinten Nationen kommt es weltweit immer wieder zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Die Menschenrechtsorganisation Interner Link: Amnesty International beobachtete in ihrem Bericht 2017/18 Versuche vieler Staaten, die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzuschränken oder rechtstaatliche Garantien auszuhebeln. Weltweit nahm dem Bericht zufolge etwa die Ausgrenzung von Minderheiten zu.

Die Menschen, die wegen Krieg, bewaffneten Konflikten oder anderen Katastrophen dazu gezwungen sind ihre Heimat zu verlassen gehören zu den wachsenden Gruppen, die aktuell häufig von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Ende 2018 waren den Vereinten Nationen zufolge weltweit erstmals mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Schutzsuchende werden oft diskriminiert und können etwa ihr Recht auf Bildung oder Gesundheitsversorgung nicht wahrnehmen. Beispielsweise werde in Rohingya-Flüchtlingslagern in Bangladesch einem Externer Link: Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von Anfang Dezember 2019 zufolge rund 400.000 Rohingya-Kindern der Zugang zu Bildung verwehrt. Die Vereinten Nationen bemängeln zudem gravierende Menschenrechtsverletzungen in einigen Aufnahme- oder Transitländern, beispielsweise in Interner Link: Libyen.

Auch die Konsequenzen des Klimawandels berühren die Menschenrechte und befördern deren Weiterentwicklung. So wurde 2010 das Recht auf sauberes Trinkwasser als Menschenrecht anerkannt.

"Demokratie auf dem Rückzug"

Der jährliche Report der Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House fällt auch 2019 kritisch aus. Unter dem Titel "Externer Link: Demokratie auf dem Rückzug" warnt die Organisation vor einem im globalen Durchschnitt anhaltenden Rückgang der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten. Auch 2018 verzeichneten dem Bericht zufolge 68 Staaten Verschlechterungen bei den politischen Rechten sowie den Bürgerrechten – bei 50 Ländern habe es hingegen Verbesserungen gegeben. Im Herbst dieses Jahres bilanzierte auch Amnesty International, dass sich in der Volksrepublik China die Menschenrechtslage unter der neuen Regierung verschlechtert habe. Der Bevölkerung würden viele Bürgerrechte vorenthalten und manche Minderheiten wie die Uiguren systematisch unterdrückt und teilweise in Umerziehungslager gesperrt.

Situation in Deutschland relativ gut

In Deutschland ist die Situation im Vergleich zu vielen Staaten der Erde gut. Insbesondere die Interner Link: Grundrechte sind durch die Artikel 1 bis 19 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantiert. Zudem hat Deutschland alle zentralen Übereinkommen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und des Europarats zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet. Deren Einhaltung wird in Deutschland durch Einrichtungen wie das Externer Link: Deutsche Institut für Menschenrechte oder den Externer Link: Bundestagsausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe überprüft.

Allerdings beklagen Menschenrechtler auch in der Bundesrepublik Defizite bei der Umsetzung der Menschenrechte. So warf der Sozialrat der Vereinten Nationen Deutschland unter anderem vor, dass älterer Menschen teilweise unter entwürdigenden Bedingungen leben würden und zu wenig gegen Kinderarmut getan würde. Der Menschenrechtsreport 2017/18 von Amnesty International kritisierte unter anderem, dass abgelehnte Asylsuchende in Deutschland nach Afghanistan abgeschoben werden, obwohl sich die Sicherheitslage dort verschlechtert habe. Die Internationale Organisation Reporter ohne Grenzen bewertete die Externer Link: Presse- und Informationsfreiheit in Deutschland aktuell als relativ gut. Aufgrund der gestiegenen physischen Gewalt gegen Medienschaffende im Jahr 2018 machte sie sich dennoch Sorgen um die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik.

Kritik an der Menschenrechtserklärung

Der Universalitätsanspruch der Menschenrechte ist jedoch auch Gegenstand von Debatten. In einigen Ländern, etwa in Russland, stehen nicht die Individualrechte, sondern das Wohl der Gemeinschaft im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Dort, aber auch in China oder in vielen islamisch geprägten Ländern, wird darüber diskutiert, ob die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht nur der Ausdruck einer "westlichen" Sicht auf das Thema ist. Gleichzeitig ist hervorzuheben, dass sich diese Diskussionen häufig in Räumen abspielen, in denen Meinungs- und Pressefreiheit begrenzt sind und autoritäre Regime von eingeschränkten Menschenrechten profitieren.

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Zum Tag der Menschenrechte berichtet World Vision:

Alarmierender Anstieg der Selbstmorde in Syrien

Zahl der Selbstmorde in Syrien steigt dramatisch an. Besonders betroffen sind unter 18jährige Mädchen

Im Nordwesten Syriens bahnt sich neben einer ökonomischen auch eine Krise der psychischen Gesundheit der Bevölkerung an. Nach zwölf Jahren Krieg und Vertreibung verschlechtert sich vor allem unter jungen Frauen und Kindern die mentale Stabilität deutlich, stellt die internationale Kinderhilfsorganisation in ihrem jüngst erschienen Report „Reaching The Final Straw“ zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember fest.

So hat sich die Zahl der Selbstmorde in der Region Idlib laut Weltgesundheits-Organisation (WHO) zwischen Anfang und Mitte 2022 verdreifacht. Innerhalb eines Zeitraums von gut einem Jahr stieg die Gesamtzahl gemeldeter Suizide auf 80, doch wird mit einer deutlich höheren Dunkelziffer gerechnet. In einer ergänzenden Befragung von 100 Personen stellte World Vision fest, dass vor allem junge Frauen keinen anderen Ausweg mehr als den Freitod sahen. 40 Prozent der Suizide wurden von unter 18jährigen Mädchen begangen.

Gründe für die Verschlechterung der mentalen Stabilität sieht World Vision vor allem in der weit verbreiteten Armut und der schlechten Sicherheitslage. Die psychische Gesundheit von Frauen und Mädchen wird zudem durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Nordwesten Syriens beeinflusst: Sicherheit ist nicht gegeben, sexuelle und häusliche Gewalt, aber auch Kinderheirat sind verbreitet. Die Ergebnisse der Befragung wurden noch durch Tiefen-Interviews von Sozialarbeitern und Experten für mentale Gesundheit bestätigt.

Die Leiterin des Nahost-Regionalbüros von World Vision, Eleanor Monbiot, erklärte zu den Ursachen der negativen Entwicklung: „Die Finanzierung der Syrien-Hilfe schrumpft, weil andere Krisen mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken. Dabei ist der humanitäre Bedarf im Nordwesten Syriens höher denn je. Unser Mitarbeitenden und Partner kennen den Preis, den die Menschen für den Konflikt bezahlen, aus erster Hand, auch welche Unsicherheit dieser für die Zukunft der Kinder und Familien bringt. Der Report sollte ein Weckruf sein, dass wir alle mehr tun müssen.“

Der Zugang für humanitäre Hilfe müsse über Landesgrenzen hinweg aufrecht erhalten bleiben, um die Armut nicht noch weiter zu verschärfen. Zum anderen müsse psychosoziale Unterstützung für die Bevölkerung umgehend ausgeweitet werden, fordert World Vision. Gefördert werden müsse auch die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen. Oftmals sei die Existenz mentaler Belastungen noch immer ein Tabu, was ein frühzeitiges Entgegenwirken verhindere.