Wilhelm Neurohr

09. Dezember 2021:

Welt-Anti-Korruptions-Tag

Am 9. Dezember ist der jährliche Anti-Korruptions-Tag der Vereinten Nationen. Die UN will damit das Bewusstsein für das Phänomen der Korruption und seine gesellschaftsschädlichen Auswirkungen stärken. Für viele Länder ist die Korruption eines der größten Entwicklungshemmnisse. Der Welt-Anti-Korruptions-Tag wird seit 2003 am 9. Dezember begangen, als das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption in Merida (Mexiko) zur Unterzeichnung vorlag. Die Vereinten Nationen verabschiedeten 2003 zugleich eine Resolution zur Einführung des Anti-Korruptions-Tags. Dieser soll das Bewusstsein für Korruption stärken und die Rolle der Konvention bei deren Bekämpfung und Verhinderung in das öffentliche Bewusstsein rücken sowie die Menschen dazu veranlassen, die Korruption in ihren Gemeinden und Regierungen zu bekämpfen.

Die Konvention zur Bekämpfung von Korruption beinhaltet u. a. verschiedene Maßnahmen und Verhaltenskodexe zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz, objektive Kriterien bei der Einstellung und Beförderung von Beamten sowie für die öffentliche Auftragsvergabe. Er behandelt auch Regelungen zu Geldwäsche und Schadensersatz-Forderungsmöglichkeiten für Opfer von Korruption.

Eine Billion Dollar Bestechungsgelder und 2,6 Bio. Dollar veruntreute Gelder jährlich

Eine Billion Dollar (rund 850 Milliarden Euro) sollen den Vereinten Nationen (UN) zufolge weltweit jährlich an Bestechungsgeldern bezahlt werden. Die durch Korruption pro Jahr veruntreute Summe wurde 2016 sogar auf 2,6 Billionen Dollar (etwa 2,2 Billionen Euro) geschätzt. Das entspreche nach UN-Berechnungen über 5 Prozent des weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandprodukts somit ungefähr dem Zehnfachen aller offiziellen Entwicklungshilfezahlungen.Aus Sicht der Vereinten Nationen ist die Korruption "ein ernstes Verbrechen, dass die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in allen Gesellschaften untergräbt." Kein Land, keine Region und keine Gemeinschaft sei dagegen immun. Die Bundeszebntrale für politische Bildung führt dazu weiter aus:

"In der Vergangenheit machte die UN an diesem Tag beispielsweise darauf aufmerksam, wie Korruption Demokratie und Rechtsstaatlichkeit untergräbt, zu Menschenrechtsverletzungen führt und Märkte verzerrt. In diesem Jahr liegt der Fokus darauf, wie Korruption weltweit das Erreichen der von den UN formulierten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung behindert. Unter dem Motto "Zusammen gegen Korruption" will die Kampagne Menschen dazu bewegen, ihre Haltung gegenüber den alltäglichen Formen der Korruption zu reflektieren und gemeinsam dagegen vorzugehen, um Entwicklung, Frieden und Sicherheit zu fördern.

Deutschland kein Vorbild bei der Korruptionsbekämpfung

Deutschland ratifizierte als letztes Land der EU das UN-Vertragswerk erst am 12. November 2014. Der Europarat mahnte und rügte im Dezember 2020 erneut, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur Korruptionsbekämpfung nur ungenügend nachkommt. Der große Einfluss der Lobbyisten auf die Bundesregierung bleibe intransparent und es fehle ein politischer Verhaltenskodex bezüglich der Verquickung politischer und privater Interessen bei unseren gewählten Mandatsträgern und in den Regierungsämtern. Danach wurde im Frühjahr 2021 auf zivilgesellschaftlichen Druck von Lobbycontroll und Transpareny International (gegen massiven Widerstand aus den Unionsfraktionen) ein lückenhaftes das "Lobbyregister" eingeführt, aber es fehlt weiterhin der "Lobby-Fußabdruck für Gesetze". Somit bleibt undurchsichtig, welche Interessenvertreter konkret an der Gesetzgebung mitgewirkt haben.

Vor allem fehlt es an grundlegenden Verschärfungen der Regelungen für Abgeordente, denn die Verquickung von privaten Geschäften mit dem Bundestagsmandat ist Gift für die Demnokratie, wie unlängst der "Maskendeal" gezeigt hat. Bislang fehlt es an einem wirksamen Straftatbestand der Abgeordentenbestechung und -bestechlichkeit. Im Koalitionsvertrag der "Ampel-Regierung" ist nunmehr Lobbykontrolle und Transparenz beschlossen worden, aber Parteispenden beliben weiterhin in unbegrenzter Höhe möglich.

Machtmissbrauch und Korruptionsfälle in Deutschland

Doch was genau ist Korruption? Es gibt keine einheitliche Definition dieses Begriffs. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International versteht darunter den "Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil". Korruption komme etwa im nationalen oder internationalen Geschäftsverkehr vor und drücke sich unter anderem durch die Käuflichkeit von Politikern, Polizisten oder Staatsbediensteten aus – oder ganz generell durch Versuche, durch Schmiergelder Vorteile zu erlangen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) bezeichnet Korruption in seinem "Bundeslagebild Korruption 2016" als "Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats". Die Sicherheitsbehörde führt weiter aus, dass der Machtmissbrauch aus Eigennutz, zugunsten von Dritten oder für Unternehmen stattfinden könne. Im Vergleich zum Vorjahr registrierte das BKA 2016 etwa ein Viertel weniger gemeldete Straftaten. Für die in der Gesamtschau rückläufige Anzahl sieht das BKA etwa die Schaffung von Compliance-Strukturen, also die Einführung von Anti-Korruptionsrichtlinien sowie die Einstellung Compliance-Beauftragter in vielen Unternehmen und "die im Rahmen der Korruptionsprävention in Bund und Ländern durchgeführten Maßnahmen wie E-Learning-Systeme zur Sensibilisierung von Bediensteten" als Ursache an.

2016 war dabei der Rückgang der Fälle auffällig, in denen die öffentliche Verwaltung Zielbereich der Korruption war. Nachdem der Anteil der öffentlichen Verwaltung zuvor auf bis zu 71 Prozent gestiegen war, lag er 2016 mit 49 Prozent unter dem Niveau der vergangenen Jahre. Die Wirtschaft ist nach Schwankungen in den vergangenen Jahren für etwa ein Drittel (30 %) der Delikte 2016 das Zielgebiet. Im Bereich der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden hat die Korruption an relativer Bedeutung gewonnen: sie erreicht mit 18 Prozent den höchsten anteiligen Wert der vergangenen fünf Jahre. Eine kleinere Fallzahl (3 %) betrifft auch die Politik als Zielbereich.

Die beiden Vorteile, die sich die "Geber" durch ihre korrupten Handlungen hauptsächlich sicher möchten, sind die Erlangung von behördlichen Genehmigungen (37,9 %) und von Aufträgen (33,0 %). Insgesamt ist laut BKA der aus Korruption entstandene finanzielle Schaden von 222 Millionen im Jahr 2015 auf 123 Millionen Euro im Jahr 2016, also um 45 Prozent, gesunken.

Deutschland hat strengere, aber völlig unzureichende Gesetze eingeführt

Deutschland hat zuletzt seine Gesetze zum Kampf gegen Bestechung und Vetternwirtschaft verschärft. Mit Inkrafttreten des "Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption" (Korruptionsbekämpfungsgesetz) im November 2015 wurde die Strafbarkeit im Korruptionsbereich erweitert und Vorschriften des Korruptionsstrafrechts aus dem Neben- in das Kernstrafrecht überführt. Im Juni 2016 trat nach langer politischer Diskussion zudem das "Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen" in Kraft. Seither gelten auch für niedergelassene Ärzte strenge Regeln – bestechliche Mediziner riskieren bis zu drei Jahre Haft. Schätzungen zufolge entsteht den gesetzlichen Krankenkassen durch Korruption und falsche Abrechnungen ein Schaden im Milliardenbereich. Transparency International hält dieses Gesetz jedoch für noch nicht ausreichend. Auch in anderen Bereichen fordert die NGO von der Bundesregierung noch strengere Regelungen zur Korruptionsbekämpfung.

Der inzwischen eingetretene politische Sinneswandel im Bundestag zugunsten von Transparenzregeln für Nebentätigkeit von Abgeordneten ist erstaunlich, denn bis dahin hatten alle Bundestagsparteien damit gehadert. Noch 2013 hatte der Bundestag eine Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten abgelehnt. Da half auch keine Petition von 51.000 Bürgerinnen und Bürgern zur wirksameren Strafverfolgung von politischer Korruption. Und noch ein halbes Jahr vor der widerwilligen Verabschiedung des wirkungslosen Antikorruptionsgesetzes in 2016 hatten sich laut einer Umfrage von „Abgeordnetenwatch“ 90% der CDU-Abgeordneten, 74% der FDP-Abgeordneten, 30% der grünen und linken Abgeordneten und 27% der SPD-Abgeordneten gegen ein solches Gesetz ausgesprochen. Elf Jahre brauchte deshalb der Bundestag auch zur Ratifizierung einer UN-Konvention gegen Korruption, doch ausgerechnet bei Abgeordneten wird Korruption weiterhin kaum nachweisbar sein.

Noch im Dezember 2020 hatte deshalb der Europarat als führende Menschenrechtsorganisation den Deutschen eine Frist gesetzt: Bis spätestens April 2022 sei dem Europarat vorzulegen, wie sie die verbindlichen Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung endlich umgesetzt haben. Denn bislang geschieht hier nur eine Pseudokorruptionsbekämpfung. Deshalb hatte der Europarat schon in den Vorjahren 2015 bis 2019 der Bundesrepublik stets ein mieses Zeugnis ausgestellt, weil Deutschland nur die Hälfte der Anti-Korruptions-Empfehlungen für Abgeordnete umgesetzt hatte.

Bestrafung bestechlicher Abgeordneter so gut wie ausgeschlossen

Entgegen allen Sachverständigen-Empfehlungen bei der Anhörung im Bundestag wurde das Gesetz jedoch so gestaltet, dass faktisch kein Abgeordneter wirklich nach § 108 e Strafgesetzbuch strafrechtlich belangt werden kann, anders als jeder korrupte Normalbürger - denn: „Damit würden Parlamentarier an der freien Ausübung ihres Mandates gehindert“ (Zitat FDP-Politiker Patrick Döring) und es habe „noch nie einen Korruptions- und Verdachtsfall seit Bestehen des Bundestage gegeben“, (Zitat Dr. Götze/CSU).

Wie bereits erwähnt: Lange Zeit gehörte Deutschland der UN-Konvention gegen Korruption nicht an. Erst am 12. November 2014 ratifizierte die Bundesrepublik das bereits 2003 unterzeichnete internationale Vertragswerk und war damit das letzte Land der Europäischen Union. Fast alle Staaten haben das Abkommen mittlerweile ratifiziert und sich damit verpflichtet, Korruption von Amtsträgern zu bestrafen und bei der Korruptionsbekämpfung international miteinander zu kooperieren. Transparency International sieht hier jedoch noch immer Verbesserungsbedarf auf deutscher Seite.

Eine frühere Ratifizierung der UN-Konvention war seitens Deutschlands wegen fehlender gesetzlicher Regelungen gegen Bestechung von Abgeordneten nicht möglich. Erst 2014 verabschiedete der Bundestag eine entsprechende Gesetzesreform. Nach dieser kann ein Abgeordneter, der für sich oder für Dritte einen "ungerechtfertigten Vorteil" fordert und im Gegenzug dafür bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung vornimmt oder unterlässt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden. Die Internetplattform abgeordnetenwatch.de kritisierte damals, das Gesetz sei im Grunde wirkungslos. Denn nachzuweisen, dass ein Parlamentarier "im Auftrag oder auf Weisung" gehandelt habe, wie es das Gesetz fordert, sei in der Praxis kaum möglich.

Deutschland schneidet im internationalen Vergleich trotzdem noch relativ gut ab

Trotz aller Kritik: Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland relativ gut ab. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International aus dem Jahr 2016 belegt die Bundesrepublik unter den 176 aufgeführten Ländern zusammen mit Luxemburg und Großbritannien Rang 10. Auf einer Skala von 0 (hohes Maß an Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) erzielte sie 81 Punkte. 2014 erreichte Deutschland noch zwei Punkte weniger. Der CPI ist ein Meta-Index, der sich aus 13 verschiedenen Untersuchungen speist, die auf der Befragung von Geschäftsleuten und Länderanalysten basieren. Mit dem Index wird Transparency International zufolge aber nur die wahrgenommene Korruption bei Politikern und Beamten gemessen. Die tatsächliche Korruption dürfte höher sein.

Dem Index zufolge teilten sich Dänemark und Neuseeland die Spitzenposition 2016. Auch die nordeuropäischen Länder Schweden, Norwegen und Finnland waren in den vergangenen Jahren in den oberen Positionen vertreten. Unter den fünf Schlusslichtern des Rankings sind vier Bürgerkriegsländer: Somalia, Südsudan, Syrien und Jemen sowie das diktatorisch regierte Nordkorea. Transparency International nennt neben strengen gesetzlichen Bestimmungen auch gefestigte demokratische Strukturen mit einer unabhängigen Justiz und Pressefreiheit als wichtige Faktoren im Kampf gegen Korruption.