Wilhelm Neurohr

„Diktiert die Rüstungslobby die deutsche Exportpolitik der Regierung?“

Es ist unüblich, zu einem Leserbrief einen Teil II quasi als Fortsetzung zu verfassen. Aber nach meinem am 1. März veröffentlichten Leserbrief zu den Hintergründen der „Münchener Sicherheitskonferenz“ von Mitte Februar hat sich danach noch so viel Ungeheuerliches ereignet, dass dies nicht unkommentiert bleiben darf:

Am Rande der so genannten „Münchener Sicherheitskonferenz“ hatte der Konzernchef des Flugzeug-und Rüstungskonzerns Airbus, Tom Enders, noch vor dem Auftritt der Kanzlerin auf einer eigenen Pressekonferenz die restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung mit ihrer „moralischen Überhöhung“ massiv kritisiert, unter der die deutsche Rüstungsindustrie leide. Von der Kanzlerin und der Bundesregierung forderte er ultimativ und dreist die sofortige Lockerung der einschränkenden Rüstungsexport-Richtlinien.

Der einflussreiche Konzernchef ist nicht irgendwer, sondern sitzt zusammen mit anderen Rüstungs-Konzernchefs und der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Beirat der privaten „Stiftung Münchener Sicherheitskonferenz GmbH“ als Veranstalter und Sponsor. Denn Airbus möchte führend werden bei den künftigen Kampfdrohnen für die Bundeswehr und die europäische Verteidigungsunion. Bei Frau van der Leyen rennt er damit bereits offene Türen ein, die sich seit längerem für bewaffnete Kampfdrohnen einsetzt und ohnehin die deutschen Verteidigungsausgaben mehr als verdoppeln möchte zur „Förderung der militärischen Kultur“ in Europa, wie sie es bezeichnete.

Aber auch die Kanzlerin erfüllte die aggressiv vorgebrachten Forderungen der Rüstungslobby direkt nach der Sicherheitskonferenz umgehend und verkündete am 1. März neue Exportregelungen für Rüstungsexporte, „die über den Wortlaut der Koalitionsvertrages hinausgehen“. Nur wegen der Kritik des Koalitionspartners SPD verlängerte sie die Lieferverbote nach Saudi-Arabien um zunächst nur 2 Wochen. Zuvor hatte sie bereits eigenmächtig in dem Aachener Vertrag mit dem französischen Staatspräsidenten Macron ebenfalls Lockerungen der deutschen Haltung bei den europäischen Rüstungsexporten zugesagt.

Dass damit eine generelle Kehrtwende der CDU-Politik zugunsten der Lockerung der Rüstungsexporte eingeleitet wird, bestätigte ebenfalls am 1. März die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Zeitungsinterview in unmissverständlicher Klarheit: „Wir können mit unseren strengen deutschen Rüstungsexportregelungen nicht europäische Rüstungsprojekte stoppen. Wir wollen eine Rüstungsindustrie in Deutschland, und wer diese grundsätzlich nicht will, muss es den betroffenen Firmen und Arbeitnehmern klar sagen.“ Damit outete sich die neue CDU-Vorsitzende als "Schutzpatronion der deutsche Rüstungsindustrie".

Diese Aussagen der drei führenden CDU-Politikerinnen in Deutschland ähneln fast dem Wortlaut des Airbus-Konzernchefs. Diktiert also die Rüstungslobby die künftige Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung? Bisher hatte ich die Hoffnung, dass mit dem Einzug von mehr Frauen in politische Führungspositionen auch eine andere Sichtweise auf Sicherheitspolitik Einzug hält, die Sicherheit nicht immer nur mit mehr Rüstung gleichsetzt, sondern mit Friedensverträgen und Abrüstungsinitiativen. Zumindest die Frauenbewegung war immer gegen Krieg und Kriegsgelüste der waffenstrotzenden Männerwelt, so werden wir auch wieder am Weltfrauentag in wenigen Tagen am 8. März venehmen...

Stattdessen war im Wirtschaftsteil der Zeitung am 2. März zu lesen: „Das Militärgeschäft brummt. Mit Militärfahrzeugen und Munition hat der Rüstungskonzern Rheinmetall deutlich bessere Geschäfte gemacht als je zuvor – mit Umsatzsteigerungen um 6,1 Prozent auf 3,22 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn in der Militärsparte ging sogar um fast 50 Prozent auf 254 Mrd. Euro in die Höhe.“

Aus dieser militärischen Männerwelt klang schon vor zwei Jahren auch der Originalton des CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn, der ebenfalls unter den „Sicherheitsexperten“ auf der Münchener Konferenz 2019 weilte, (ebenso wie die "Sicherheitsexpertin" Julia Klöckner). Im Februar 2017 hatte er der BILD-Zeitung erklärt: „Etwas weniger die Sozialleistungen erhöhen und mal etwas mehr auf Verteidigungsausgaben schauen.“ Der Chefredakteur eben dieser BILD-Zeitung, Julian Reichelt, saß übrigens auf der Sicherheitskonferenz 2019 in München in trauter Zweisamkeit beim Mittagessen mit US-Vizepräsident Mike Spence. Und der „Sicherheitsexperte“ Jens Spahn absolvierte übrigens das „Young Leader Program“ des American Council on Germany, ein Partnerprojekt der deutschen Denkfabrik Atlantic-Brücke und des American Council on Germany für aufstrebende politische und wirtschaftliche Führungskräfte…

Wie heißt es so schön auf der Homepage des Auswärtigen Amtes von SPD-Außenminister Heiko Maas: „Die Münchner Sicherheitskonferenz ist seit Jahrzehnten Treffpunkt der globalen sicherheitspolitischen Community und Gradmesser des Zustands der internationalen Ordnung“. Die internationale Friedenbewegung dürfte die dominierende rüstungspolitische Sicht auf die Weltordnung sicher anders bewerten, so dass man in diesem Jahr des wiederbelebten kalten Krieges auf eine zahlreiche Teilnahme an den Ostermärschen für Frieden und Abrüstung hoffen kann.

Wie weiit übrigens der Einfluss des Airbus-Konzernchefs Tom Enders nicht nur bei der Frage der Rüstungsexportze reicht, sondern auch in punkto Subventionsgeschenke auf Steuerzahlerkosten, zeigt dieser zeitgleiche Vorgang: Für sein ehrgeiziges Super-Großraumflugzeug-Projekt des A 380 - mit der Airbus Weltmarktführer werden wollte, obwohl kaum jemand das Riesenflugzeug kaufte - erhielt der Airbus-Konzern vom deutschen Staat einen Kredit von fast 1 Mrd. € (genau 924 Mio. €). Die noch zurück zu zahlenden restlichen 600 Mio. € wolle er aber nicht zurückzahlen, verkündete der Konzernchef Tom Enders in der "Financial Times", (vermutlich nach Hintergrundgesprächen mit Regierungsvertretern am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz....?)

Erst Tage später, nach öffentlichem Aufschrei in den meisten Medien, ließ die Bundesregierung zögerlich verlauten, man wolle vom Flugzeugbauer Airbus "alles einfordern, was uns zusteht". Alles andere liefe auch Gefahr, als "Veruntreuung öffentlicher Gelder" in strafrechtlich relevantes Fahrwasser zu gelangen. Aber die Rückzahlungsfähigkeit und -bereitschaft von Airbus kann auch auf andere Wise hergestellt werden, nämlich durch die bereits zugesage Lockerung der Rüstungsexportpolitik mit daraus resultierenden Gewinnsteigerungen. Hier schließt sich der Kreis zugunsten der profitablen Rüstungsspirale. Mal sehen, was es auf der nächsten privaten Münchener Sicherheitkonferenz an weiteren Diktaten der einflussreichen und mächtigen Rüstungslobby für unsere unterwürfige Bundesregierung gibt....

Wilhelm Neurohr