Wilhelm Neurohr

"Das neue TTIP - Sieben Gründe gegen das Handelsabkommen zwischen MERCOSUR und der EU"

(siehe auch Ausgabe April 2020 "infodienst" der Arbeitsgemeinschaftz Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und der evangelischen Kirche von Westfalen)

TTIP und CETA lassen grüßen: Hinter verschlossenen Türen verhandelt die EU derzeit mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay) über ein neues Handelsabkommen. Wie TTIP und CETA hätte auch das Mercosur-Abkommen negative Folgen für Verbraucherrechte, Umweltstandards und die Demokratie! Schutzstandards für Verbraucher und Umwelt sowie demokratische Prinzipien sollen zu Lasten der Menschen in Südamerika und Europa geopfert werden. Die Verhandlungen stehen kurz vor ihrem Abschluss – und die Öffentlichkeit soll keine Details erfahren, bis der Vertrag unter Dach und Fach ist. Protestieren Sie jetzt und schreiben Sie an EU-Handelskommissar Phil Hogan!

Netzwerk gerechter Welthandel:

Sieben Gründe gegen das EU-Mercosur-Abkommen

Im Verlauf des Jahres 2020 will die Europäische Union das geplante Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay abschließen. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft fordern den schnellstmöglichen Abschluss des Abkommens und wollen damit insbesondere neue Absatzmärkte für Konzerne erschließen. Dabei hat die EU bereits heute einen Exportüberschuss von 9,1 Milliarden Euro mit den Mercosur-Staaten, und die Gefahren des Abkommens für Mensch und Umwelt liegen auf der Hand. Gemeinsam mit sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Lateinamerika fordern wir eine solidarische Welthandelspolitik statt Handelsabkommen im Interesse von Konzernen und weisen auf die fatalen Auswirkungen des EU-Mercosur-Abkommens hin:

1. Das EU-Mercosur-Abkommen verfestigt ein Landwirtschaftsmodell, das auf Monokulturen und massiven Pestizideinsatz setzt.

Dies hat dramatische Folgen für Umwelt und Gesundheit der Menschen vor Ort. Das Abkommen senkt oder beseitigt die Zölle auf viele Agrargüter und wird unter anderem den Import von Zucker, Geflügel, Ethanol und Rindfleisch aus den Mercosur-Ländern in die EU stark ausweiten – und den ruinösen Preiskampf in der Landwirtschaft noch weiter verschärfen.

2. Das EU-Mercosur-Abkommen beschleunigt die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes sowie der Savannen und Trockenwälder.

Bereits heute werden immense Waldflächen gerodet, um Flächen für die Rinderhaltung zu gewinnen. Im Juli 2019 lag die Entwaldungsrate so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr; die Ausweitung der Rindfleischexporte durch das EU-Mercosur-Abkommen wird die Abholzung noch weiter beschleunigen. Dabei ist der Erhalt des Amazonasgebietes als natürliche CO2-Senke underlässlich, um die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen. Weitere Waldflächen werden für den Anbau von Soja und Zuckerrohr zerstört, die zum Großteil in die EU exportiert und in der industriellen Tierhaltung beziehungsweise für die Herstellung von Agro-Sprit verwendet werden. Diese Exportsteigerungen unterlaufen zudem die Bemühungen der EU, entwaldungsfreie Lieferketten für importierte Agrarprodukte sicherzustellen.

3. Das EU-Mercosur-Abkommen begünstigt den klimaschädlichen Autohandel.

Das Abkommen senkt die Zölle auf deutsche und europäische Autos, 15 Jahre nach Inkrafttreten sollen die Zölle dann komplett entfallen. Damit begünstigt das Abkommen den klimaschädlichen Autohandel: eine weitere fatale Entwicklung in Zeiten der Klimakrise! Zudem sieht das EU-Mercosur-Abkommen die gegenseitige Anerkennung der unzureichenden deutschen Abgastests vor und leistet damit weiterer Luftverschmutzung durch Abgasmanipulation Vorschub.

4. Das EU-Mercosur-Abkommen enthält keinerlei durchsetzungsfähige Vorgaben für Umwelt- und Klimaschutz, Menschen- oder Arbeitsrechte.

Wenn ein Vertragsstaat seine Pflichten aus dem Pariser Abkommen verletzt oder anderen Nachhaltigkeitsbestimmungen nicht nachkommt, muss er weder mit der Rücknahme von Handelspräferenzen noch mit sonstigen Sanktionen rechnen. Das Nachhaltigkeitskapitel im EU-Mercosur-Abkommen ist daher – wie bei anderen EU-Handelsabkommen auch – ein „Feigenblatt für nicht-zukunftsfähige Handelspolitik“.

5. Das EU-Mercosur-Abkommen soll abgeschlossen werden, obwohl im Vertragsstaat Brasilien Menschenrechte massiv missachtet werden:

Die Verfolgung von Minderheiten und Oppositionellen sowie die Vertreibung von Indigenen von ihrem Land gehört unter der Regierung Bolsonaro mittlerweile zum Alltag.

6. Das EU-Mercosur-Abkommen trägt nichts dazu bei, die Situation von Arbeitnehmer*innen zu verbessern.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) setzte Brasilien mittlerweile zum zweiten Mal in Folge auf die Liste der Länder, die die internationalen Arbeitsstandards verletzen, Tarifverhandlungen untergraben und die Arbeit von Gewerkschaften blockieren. Der Internationale Gewerkschaftsbund hat Brasilien dieses Jahr neu in seine Liste der zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen aufgenommen, weil Streiks gewalttätig niedergeschlagen und Gewerkschaftsmitglieder bedroht werden. Die Gewerkschaftsdachverbände des Mercosur lehnen das EU-Mercosur-Abkommen ebenfalls ab, weil es den Sargnagel für die heimische Industrie bedeuten würde. Allein in der verarbeitenden Industrie in Argentinien sollen mindestens 186.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

7. Das EU-Mercosur-Abkommen öffnet die lateinamerikanischen Märkte für billigere Produkte aus der EU. Es zerstört damit regionale Wertschöpfung

und beeinträchtigt die industrielle Produktion in den Mercosur-Staaten. Brasilien ist der wichtigste Absatzmarkt für argentinische Produkte, durch das EU-Mercosur-Abkommen würde diese Beziehung nachhaltig geschwächt. Zudem wird das Abkommen den Handel mit Produkten fördern, die bereits im Überfluss vorhanden sind, wie beispielsweise Rind- und Hühnerfleisch in der EU. Diese unnötigen Handelsströme treiben die transportbedingten CO2-Emissionen weiter in die Höhe – dabei wurde bereits 2014 fast ein Viertel aller schädlichen Emissionen durch die internationalen Handelsströme verursacht.

Ebenso wie TTIP oder CETA stellt das EU-Mercosur-Abkommen damit Freihandel und blinde Marktöffnung über Umwelt- und Klimaschutz, Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit und schreibt die Fehlentwicklungen des globalisierten Handels der letzten Jahrzehnte fort: Das Abkommen bedient die Interessen großer Konzerne und reduziert die Möglichkeiten ihrer demokratischen Regulierung im Sinne von Arbeitnehmer*innen, Bäuerinnen und Bauern sowie Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz.

Weiteres Informationsmaterial zum EU-Mercosur-Abkommen: https://www.gerechter-welthandel.org/material/mercosur/

Petitionstext von foodwatch:

Sehr geehrter Herr Kommissar Hogan,

die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Staatenbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) sind fast abgeschlossen. Ich bin zutiefst besorgt über das Abkommen, weil es eine ähnliche Bedrohung für Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsstandards darstellt wie die Abkommen mit den USA (TTIP) oder Kanada (CETA).

Das Mercosur-Abkommen untergräbt beispielsweise das Europäische Vorsorgeprinzip – eines der wichtigsten Errungenschaften im Umwelt- und Lebensmittelrecht. Das Abkommen könnte auch demokratische Entscheidungen darüber gefährden, welche Lebensmittel künftig in unseren Supermarktregalen verkauft werden dürfen (Gentechnik, Pestizide usw.)

Die EU-Kommission plant, die Einfuhrmengen für Rindfleisch, Geflügel und Zucker aus Südamerika zu erhöhen. Das hätte dort erhebliche Folgen für Landwirtschaft, Umwelt und die Menschenrechte. Eine Ausweitung der Fleischproduktion würde beispielsweise zu verstärkter Abholzung des Regenwalds, höheren Treibhausgasemissionen und Grundwasserverschmutzung führen. Auf Zuckerrohr- und Sojabohnenplantagen sind bereits jetzt Verstöße gegen internationale Arbeitsnormen unter Missachtung grundlegender Menschenrechte weit verbreitet – mit dem Abkommen könnten sie noch häufiger werden.

Sehr geehrter Herr Kommissar Hogan, unter keinen Umständen darf das EU-Mercosur-Abkommen in Kraft treten! Ich bitte Sie, das Abkommen zu stoppen und die Verhandlungen einzustellen.

Die Handelspolitik der EU sollte sich an den Bedürfnissen und Rechten der Menschen und der Umwelt orientieren, nicht an den Interessen multinationaler Konzerne.

Mit freundlichen Grüßen