Wilhelm Neurohr

Bezahlbares Wohnen als Menschenrecht.

DossierWohnen. Stadt. Gesellschaft.

Das Thema Wohnen ist für viele in Deutschland das soziale Thema, der Deutsche Mieterbund schlägt Alarm, es gibt eine dramatische Entwicklung bei den Mieten in vielen Städten, Überschriften wie «Wohnen in der Krise» werden getitelt. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere. Und «Bauen, Bauen, Bauen» allein ist längst nicht die Lösung, das ist offensichtlich. Das Schlimme ist: die Konzepte für bezahlbares Wohnen liegen vor. Aber der politische Wille für mutige, innovative, sozial gerechte und nachhaltige Lösungen fehlt. Stattdessen wird «der Markt» bemüht.

Aber «der Markt» reguliert nicht. Die Liberalisierung des Wohnungsmarktes seit den 1990er Jahren hat nicht wie versprochen zu mehr leistbarem Wohnraum geführt, sondern vielmehr zu Wohnungsknappheit, explodierenden Preisen und zu einer Finanzialisierung. Die kapitalmarktorientierten Immobilienkonzerne sind auf ständig steigende Mieteinnahmen angewiesen, um internationale Finanzinvestoren zu bedienen. Das führt zu einer Enteignung von Mieter*innen. Und nicht zu mehr Transparenz, mehr Gemeinwohlorientierung, mehr ökologischer und sozial gerechter Stadtentwicklung. Eine lebenswerte Stadt für Alle bräuchte mehr Sorgepolitik, mehr Mietendeckel, mehr kollektive Trägerschaft, mehr gemeinwohlorientierte Bodenpolitik, mehr Energiegerechtigkeit.

Gegen all das regt sich Widerstand in der Gesellschaft. Immer mehr Menschen engagieren sich für eine rebellische, linke und solidarische Stadtpolitik: sie verweigern sich Räumungsbeschlüssen, schließen sich als Hausgemeinschaften zusammen, organisieren politische und kreative Räume, recherchieren Besitzverhältnisse und setzen kommunale Politik und Landesregierungen unter Druck.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt dieses Engagement, initiiert Recherchen und Studien. Ja, es gibt ein Menschenrecht auf Wohnen, Stadt ist keine Ware.

Wem gehört die Stadt?

Eigentümerstruktur. Grenzenlose Spekulanten. Zugang zu Daten und andere Regeln.

Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, Spekulanten und renditeorientierte Investoren, fehlende Transparenz und Regulierung – In vielen Städten rund um die Welt tragen sie dazu bei, dass Preise explodieren und das Zuhause für viele Mieter:innen unbezahlbar wird. Mit dem Projekt “Wem gehört die Stadt?” will die Rosa-Luxemburg-Stiftung dazu beitragen, diese Strukturen und Akteure sichtbar zu machen und die Grundlage für eine öffentliche Diskussion über politische Lösungen legen.

Eigentümer-Strukktur im Vergleich:

Zürich - Leipzig - Berlin- Frankfurt - Erfurt - Kopenhagen - Düsseldorf - Hamburg - Wien - München - Amsterdam - Brüssel - Paris - London - Dublin - Oslo - Prag - Athen - Madrid -

In den meisten Ländern und Städten gehört der Großteil der Wohnungen denen, die darin wohnen und den Banken bei denen sie sich dafür verschuldet haben. Gleichzeitig gibt es in fast jeder Stadt Privateigentümer:innen die einzelne Wohnungen vermieten oder als Kapitalanlage besitzen genauso wie Privatpersonen, die größere Wohnungsbestände besitzen und teilweise von Generation zu Generation weiterreichen. Schließlich gibt es in vielen Städten größere staatliche, genossenschaftliche oder gemeinnützige Mietwohnbestände. Relativ neu sind große, teilweise länderübergreifende und kapitalmarktorientierte Wohnungsunternehmen und auf Wohnimmobilien spezialisierte Investmentfonds. Die Verteilung der Wohnungen auf diese Eigentümergruppen bestimmt die Struktur des Wohnungsmarktes und die daraus entstehenden Probleme und unterscheidet sich stark von Stadt zu Stadt.

Mit einem Mieteranteil von mehr als 90% ist Zürich die Mieterhauptstadt Europas, gefolgt von Leipzig und Berlin. Der mit Abstand größte Teil der europäischen Investitionen von professionellen, finanzmarktorientierten Investoren über die letzten Jahre floss nach Deutschland und vor allem nach Berlin.

Spekulanten: grenzüberschreitende Investoren

In den meisten Ländern und Städten ist der Wohnungsmarkt – anders als der Markt der Gewerbeimmobilien – traditionell eher lokal geprägt. Grenzüberschreitende Investitionen in Wohnimmobilien sind eher selten. Durch Zusammenschlüsse und Zukäufe häufig nach Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände sind in den letzten Jahren aber einzelne länderübergreifende Wohnungsriesen entstanden.

Bisher haben wir acht Investoren identifiziert, die in mindestens drei der von uns analysierten Städte aus mindestens drei unterschiedlichen Ländern Immobilien besitzen – bis auf einen waren alle auch in Berlin investiert und hatten dort auch mit Abstand die größten Wohnungsbestände. Während die großen Wohnungsunternehmen transparent über ihre Wohnungsbestände berichten, verraten die meisten großen Vermögensverwalter und Investmentfonds nicht einmal wie viel Geld sie insgesamt in europäische Wohnimmobilien investieren.

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