Wilhelm Neurohr

Leserbrief an die RZ zur Berichterstattung über das Gerangel über den Listenplatz für den EU-Abgeordneten Elmar Brok (CDU)

Der Fall Elmar Brok:

Unentbehrliche Berufspolitiker statt Mandat auf Zeit?

Nur mit völligem Unverständnis kann man als Leser, Bürger und Wähler kurz vor der wichtigen Europawahl das demotivierende innerparteiliche Gerangel in der CDU um einen bevorzugten Listenplatz für den dienstältesten Europa-Abgeordneten Elmar Brok auf der NRW-Landesliste verfolgen. Da haben sich an der Parteibasis die Delegierten auf demokratische Weise erfolgreich um einen überfälligen Generationenwechsel bemüht, da die EU nur dann eine Zukunft hat, wenn es ein Projekt der Jugend wird, derweil der fast 73-jährige Mandatsträger nach fast 40 Jahren Parlamentszugehörigkeit noch weitere 4 Jahre an seinem lukrativen Posten kleben bleiben will, weil er sich für unentbehrlich hält. Darum hat er seine innerparteilichen Seilschaften aus der Parteispitze und seine Parlamentskollegen mobilisiert, die ihm doch noch einen aussichtsreichen Listenplatz bis zum 77. Lebensjahr verschaffen sollen. Nicht ohne Hintergedanken treten CDU-Politiker für die Heraufsetzung des Rentenalters bis 70 Jahre ein – aber sollte danach nicht Platz für Jüngere gemacht werden? Warum schaffen es altgediente Politiker wie Elmar Brok - den EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker als den "einflussreichsten deutschen Abgeordenten" bezeichnet - nicht, den richtigen Zeitpunkt für einen würdigen Abgang zu finden? Zehren sie ihr ganzes Selbstwertgefühl allein aus ihrerer beruflichen oder politischen Geltung?

Dass unsere Abgeordneten nur ein „Mandat auf Zeit“ ausüben, ist unseren lebenslangen „Berufspolitikern“ nicht geläufig. Aber so ein Mandat im EU-Parlament ist allzu verlockend, weil äußerst lukrativ: Die Abgeordneten erhalten nicht nur ein steuerpflichtiges „Gehalt“ – so heißen die Diäten in Straßburg - von über 8.850 Euro zuzüglich 4.200 Euro Aufwandsentschädigung plus 152 Euro Tagegeld für jede Übernachtung, sondern obendrein für jede Teilnahme an Beratungen noch 304 Euro Tagegeld, automatisch auch ohne Eintragung in die Anwesenheitsliste. Alles zusammen summiert sich auf insgesamt fast 18.000 Euro monatlich oder 214.000 Euro im Jahr. Hinzu kommt natürlich die Erstattung aller Reisekosten erster Klasse, bis zu 4.234 Euro pro Jahr. Bei Erkrankung haben sie Anspruch auf Zweidrittel Erstattung ihrer medizinischen Kosten. Derweil gehen die Wähler mit „Gelbwesten“ auf die Straße, weil die arbeitenden Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Das sollte die Volksvertreter auch im EU-Parlament nachdenklich machen.

EU-Abgeordneten wie Elmar Brok steht bei Nichtwiederwahl zwei Jahre lang nach Ausscheiden aus dem Parlament eine Übergangsvergütung von insgesamt 354.000 Euro zu, nämlich in Höhe eines Monatsgehaltes pro Jahr seiner 40-jährigen Amtszeit, also 40 x 8.850 €. Schon nach nur einer Wahlperiode erwirbt er einen Altersversorgungsanspruch in Höhe von 1405 € monatlich (bei seinen 10 Wahlperioden also ein Vielfaches) ab dem 63. Lebensjahr, derweil der deutsche Durchschnittsrentner nach 45 Jahren auf nur 1175 Euro ab dem 67. Lebensjahr kommt. Die Altersversorgung der EU-Abgeordneten entspricht für jedes volle Jahr der Ausübung des Mandats 3,5 % der Dienstbezüge, insgesamt jedoch nicht mehr als 70 %, für Elmar Brok also rund 84.000 € Rente im Jahr oder 7.000 € im Monat.

Eine solch luxuriöse Versorgung gibt es nicht einmal für die Abgeordneten in unserem Bundes- und Landesparlament. Da es für die Europaabgeordneten keine Direktwahlkreise gibt, sondern nur Listenwahl, entstehen für sie auch kaum Kosten für Wahlkreisarbeit. Trotzdem erhalten sie für jeden Mitarbeiter bis zu 21.209 Euro monatlich, so dass ein EU-Abgeordneter aus Rumänien als Spitzenreiter 19 Mitarbeiter eingestellt hat. Dass mehr als ein Drittel der Europa-Abgeordneten noch bezahlten Berater- und Nebentätigkeiten auch für Lobbyorganisationen nachgehen, mit bis zu 100.000 Euro Nebenverdienst im Jahr, ist bei „Transparency international“ nachzulesen.

Auch Elmar Brok, der nach einem abgebrochenen Studium alsbald in die Politik ging, war lange Zeit als Lobbyist für seinen Arbeitgeber, den Bertelsmann-Konzern tätig, so dass der Verfassungsrechtler Herbert von Arnim die Tätigkeit von Elmar Brok als „legale Korruption“ bezeichnete. Umso unverständlicher, dass sich seine Parteifreunde für ihn erneut ins Zeug legen, um die politikverdrossenen Wähler an die Wahlurne zu bekommen, nachdem die letzte Europawahl klägliche 40% Wahlbeteiligung erbrachte.

Hoffentlich befördern die unsäglichen Debatten in der CDU nicht den weiteren politischen Rechtsruck. Denn ausgerechnet die europafeindlichen Rechtspopulisten von der AfD wollen laut ihrem Programm die Mandatszeit für Abgeordnete auf zwei Wahlperioden begrenzen – und am liebsten das Europaparlament völlig abschaffen und damit den Rest an Demokratie in der Exekutiv-lastigen EU gleich ganz beenden? Die Europa-Parlamentarier sollten sich deshalb dringend Gedanken machen, wie sie selber zu einer demokratischen Begeisterung für Europa in der Wählerschaft beitragen können, beginnend mit gebotener Bescheidenheit bei den eigenen Privilegien als Volksvertreter.

Wilhelm Neurohr