Wilhelm Neurohr

Zur Münchener Grundsatzrede von AKK:

Abrüstung statt Aufrüstung ist das Gebot der Stunde

„Frauen an die Macht für eine friedliche Welt?“

„Frauen an die Macht – auf dass die Welt besser und friedlicher werde“, das war jahrzehntelang der Ruf der feministischen Friedensbewegung. Mit Frau Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin könnte man nach ihren wiederholten Vorstößen zur stärkeren Aufrüstung und Militarisierung der deutschen und europäischen Politik daran zweifeln. Vielleicht sollte man AKK den Antikriegsroman der feministischen Friedenskämpferin Bertha von Suttner (1843-1914) empfehlen: „Die Waffen nieder!“

Die Steigerung der Rüstungsausgaben von 45 Mrd. € auf künftig 70 Mrd. € (und damit auf den Spitzenplatz Deutschlands in der EU) ist das Herzensanliegen von AKK, während in der Rentendiskussion die Unbezahlbarkeit der Grundrente, die vor allem Frauen vor Altersarmut schützen soll, beklagt wird. Die Rüstungsausgaben insgesamt sind auf das Niveau des kalten Krieges gestiegen. Deshalb brauchen wir Abrüstung statt Aufrüstung. Deutschland muss Friedensstifter werden statt Rüstungsmeister. Dazu braucht es deutsche Initiativen für eine europäische Friedens- und Entspannungspolitik statt Militarisierung der deutschen und europäischen Politik.

Militärische Weltmacht-Träume

Stattdessen hegt AKK „deutsche Weltmachtträume“, weil nach ihrer Aussage „ein Land unserer Größe und wirtschaftlichen und technologischen Kraft mit seinen geostrategischen und globalen Interessen nicht am Rande stehen“ könne. Deshalb will sie Deutschland auf größere militärische Aufgaben vorbereiten und stärker in internationalen Konflikten mitmischen. Darin wird sie unterstützt von der deutschen EU-Kommissionschefin und Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und von Kanzlerin Merkel. (Der verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt verurteilte schon damals solche Forderungen aus der Union als „Größenwahnsinn“.)

Dass deutsches Militär schon jetzt weltweit an 17 Militäreinsätzen und Missionen beteiligt ist, davon mit 1.100 Soldaten im gefährlichen Mali-Einsatz, und am Horn von Afrika Handelsrouten sichert, reicht AKK nicht. Sie will mehr Kampfbereitschaft und eine Führungsrolle der deutschen Bundeswehr im Ausland statt nur Unterstützung. Im Pazifik sollen deutsche Kriegsschiffe gegen China Flagge zeigen und in der Sahelzone will sie französische Soldaten unterstützen. Jüngst forderte sie den Bau eines deutschen Flugzeugträgers für 5 Mrd. Euro und die Lockerung der Rüstungsexportrichtlinien.

Militärische Sicherung von Handelswegen

Besonders bedenklich: Als „Exportnation mit internationaler Container-Schifffahrt“ soll deutsches Militär nach dem Wunsch von AKK die Handels- und Seewege für die Wirtschaft sichern – und zusammen mit der EU auch den Zugang zu benötigten Rohstoffen? Als Ex-Bundespräsident Köhler in 2010 äußerte, die Bundeswehr müsse für freie Handelswege sorgen, trat er nach heftiger Kritik an damit implizierten verfassungswidrigen “Wirtschaftskriegen“ zurück. Dabei hatte er nur das zitiert, was schon 2004 in einer Bertelsmann-Studie für die europäische Militärpolitik gefordert wurde: Die EU soll „zur politischen und militärischen Weltmacht aufsteigen, um ihre ökonomischen Interessen mit außenpolitischen wie militärischen Mitteln absichern zu können“. Das hat AKK nun auf Deutschland übertragen, statt sich für Friedens- und Entspannungspolitik und Abrüstung einzusetzen.

Schon in 2014 forderten unisono der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der damalige SPD-Außenminister und heutige Bundespräsident Walter Steinmeier auf der von Wirtschafts-und Rüstungslobbyisten finanzierten „Münchener Sicherheitskonferenz“ in übereinstimmenden Reden, dass Deutschland eine stärkere militärische Rolle international einnehmen müsse. Das klang so, als hätte ihnen das der Leiter der militärischen „Münchener Sicherheitskonferenz“, Wolfgang Ischinger und die Bertelsmann-Stiftung in die Feder diktiert, was AKK nun neu aufgewärmt hat als „ihre“ Forderung.

Abschied von Verfassungsgrundsätzen?

Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes würden sich im Grab umdrehen, denn sie hatten wohlweislich die Rolle der Streitkräfte (mit Blick auf die umstrittene Wiederbewaffnung) nur zur Landesverteidigung gegen Angreifer von außen zugelassen, mit dem Zusatz: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt“ – also nicht etwa für geopolitische Wirtschaftsinteressen. Von diesem Verfassungsgrundsatz entfernt sich die deshalb unbeliebte AKK meilenweit und bedient damit stattdessen die Interessen der Wirtschafts-und Rüstungslobby als Beitrag zur Friedensgefährdung statt Friedenssicherung. Dafür brauchen wir solche Frauen nicht an der Macht.

Wilhelm Neurohr