Wilhelm Neurohr

Leid und Freude

"Karfreitag ist der Tag der Trauer und Ostern ist das Fest der Freude. Es wäre sicher nicht unplausibel, in diese christlichen Feste den Kern einer Typologie menschlicher Emotionen hineinzulesen. Dabei entsprechen diese drei zentralen Feste gut den aus der Philosophie seit der Antike bekannten Grundaffekten, auf denen die anderen Gefühle aufbauen. Während klassisch auch noch die Furcht dazu gehört, konzentrierte sich Spinoza genau auf drei: Freude, Trauer und Begierde – wobei Begierde als ein Streben zu verstehen ist, das andernorts auch mit Liebe identifiziert wird.

Bemerkenswert ist aber, dass ausgerechnet die Freude philosophisch am wenigsten reflektiert wurde. Das mag daran liegen, dass sie nicht nur ein Grundaffekt ist, den man einfach als selbstverständlich hinnimmt, sondern dass sie darüber hinaus auch so unproblematisch erscheint. Zum einen fühlt sich Freude für jeden gut an. Das unterscheidet sie von der Trauer. Über Strategien zur deren Bewältigung wurde schon deutlich mehr nachgedacht. Und zum anderen ist Freude mit etwas Positivem verbunden, das über das rein Angenehme hinausgeht und mit komplexeren Werten zu tun hat. Man freut sich über Dinge, die man wertvoll findet.

(...) So basal Freude sein mag, so sehr ist sie auch abhängig vom Kontrast. Je stärker der Kontrast, um so stärker die Freude. Ihr Hintergrund ist Trauer oder Leid, Anstrengung oder Entbehrung. Wir freuen uns über Heilung nach einer Krankheit, aber kaum über unsere Gesundheit, so lange wir noch keine Krankheit erfahren haben. Wir freuen uns über Erfolge umso mehr, je härter der Weg dahin war.

Zudem dauert Freude nicht an, sie ist an Momente und Ereignisse gebunden. Freude ist ein Peak im Auf und Ab der Gefühle, des Wohl und Wehes im Leben. Für ein glückliches Leben im Sinne eines umfassend guten Lebens braucht es Momente der Freude, aber die sind immer mit Tiefen dazwischen erkauft."

Eva Weber-Guskar (in Deutschlandfunk Kultur)

Ostern 2021 ist alles anders

"Ostern ist alles anders. Anders kann man es gar nicht sagen. Wie es wirklich sein wird, ist noch schwer zu sagen. Doch am Ende – soviel ist gewiss – wird es gut sein. meint

Sonst wäre es nicht Ostern, das Fest des Lebens. Nein, ich weiß nicht, ob wir unsere Familien besuchen dürfen oder in einen Osterurlaub starten können. Ich wage auch keine Voraussage über die Öffnung von Geschäften, von Restaurants, Kinos und Theatern ganz zu schweigen. Ich weiß auch nicht, ob wir gemeinsam das Osterlob in den Kirchen singen werden – vermutlich werden wir darauf verzichten müssen. Vieles, was uns liebgeworden ist, wird uns sicher fehlen müssen dieses Jahr.

Ja, Ostern ist alles anders. Aber genau das macht Ostern aus. Es ist das Fest des fröhlichen Trotzdem. Wir feiern das Leben, trotz allem, was dagegen sprechen mag: Allem Leid, aller Trauer, allem Verzicht zum Trotz. Wir feiern, „und wenn die Welt voll Teufel wär‘“ dennoch den Sieg des Lebens. Nicht so, als ob es all das Leid nicht gäbe und all die Sorgen um die Zukunft. Die Karwoche, die nun beginnt, lehrt uns das Gegenteil. Da hören wir von Verachtung, von Spott und Häme, wir hören von unermesslichem Leid, von Zukunftsangst und Gottverlassenheit. Wir hören von der Wirklichkeit der Welt mit allen ihren Schrecken. Doch wir wissen auch, dass sie eben nicht das letzte Wort haben. Ostern durchbricht die gewohnten Bahnen. Ostern ist eben nicht das, wie es immer war.

Ostern ist alles anders. Das Leid ist verwandelt in die Freude, die Sorgen sind aufgehoben in Hoffnung. Ostern macht uns Mut, trotz allem fröhlich zu feiern.

Pfarrer Steffen Pospischil (im Lichtblick zum Wochenende).