Wilhelm Neurohr

Der von NRW-Sozialminister Laumann veröffentlichte Armutsbericht NRW ist in erster Linie ein Armutszeugnis für unsere Politiker! Wenn im Industrieland NRW im reichsten Staat Europas 2,5 Millionen Bürger und jedes 4. Kind unterhalb der Armutsgrenze lebt, währen die Reichen unaufhaltsam immer reicher werden, ist dies ein Skandal und ein Versagen der Politik.

Es wird so getan, als sei diese menschenunwürdige Entwicklung ein von außen kommendes unabwendbares Schicksal oder Naturereignis „infolge der Globalisierung“ und nicht Ergebnis oder Effekt einer so gewollten Politik. Die gleichen Politiker, die diesen Missstand herbeigeführt haben mit ihrem rigorosen Sozialabbau durch die „Agenda 2010“, mit der beschlossenen „Armut per Gesetz“ durch Hartz IV, Steuersenkungen für Reiche und Rentenkürzungen, vergießen nun noch heuchlerisch Krokodilstränen über das Resultat ihrer Politik.

Deutschland als „neoliberaler Musterknabe“ ist innerhalb Europas längst das Billiglohnland einerseits und Steuerparadies für Reiche andererseits. Es trifft hier der Ausspruch des Hl. Augustinus, des alten Staatsrechtlehrers aus dem Altertum, zu: „Ein Staat, dem es an sozialer Gerechtigkeit mangelt, was ist der anderes, als eine große Räuberbande?“ Die gesamte Umverteilungspolitik von unten nach oben hat zu „Lohnraub“ bei den Arbeitnehmern und Steuergeschenken für die Reichen geführt. Deshalb darf über „Verteilungsgerechtigkeit“ nicht diskutiert werden, die „Sozialminister“ Laumann als „Neiddebatte“ ablehnt.

Ganz bewusst und vorsätzlich ist auch den verarmten Kommunalverwaltungen durch „Steuerreformen“ die finanzielle Existenzbasis entzogen worden, um die öffentlichen Sozial- und Dienstleistungen vor Ort ebenfalls durch Privatisierungsdruck den kommerziellen Finanzmärkten zu überführen. Wen schert es, dass den verarmten Bürgern der Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen und Gütern verwehrt bleibt, weil auch diese nicht mehr nach Bedürftigkeit, sondern nur noch nach Zahlungsfähigkeit zugänglich sind. Ein glatter Verstoß gegen die Charta der allgemeinen Menschenrechte.

Regelrecht verhöhnt fühlen müssen sich die von der Armut Betroffenen jedoch von dem geradezu zynischen Kommentar des RZ-Redakteurs Wilfried Goebels, der wieder einmal voll daneben greift: Der Staat könne diese Probleme der materiellen Armut nicht lösen, da die Arbeitslosen quasi selber an ihrem Schicksal Schuld seien. Statt den Regelsatz der Sozialhilfe für die Besucher der Suppenküchen zu erhöhen, mache es nach seiner Meinung eher Sinn, lediglich für ein regelmäßiges Essen per Gutschein für die Kinder aus sozial schwachen Familien zu sorgen.

Wilfried Goebels kann froh sein, dass die Ärmsten der Armen sich kein Zeitungsabonnement leisten können, sonst würden sie ihm in der warmen Redaktionsstube „auf die Bude rücken“. Aus Solidarität mit den Armen möchte ich am liebsten nach 30 Jahren mein Abonnement der Recklinghäuser Zeitung kündigen, deren Lektüre tagtäglich unerträglicher und tendenziöser wird.