Wilhelm Neurohr

Wie jedes Jahr bei der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes schreibt Günter Wolf in seinem Kommentar reflexartig von „überzogenen Forderungen“ der Gewerkschaften angesichts der „Schuldenberge“ der öffentlichen Haushalte. Stets bedauert er die „braven Bürger“, die von den Streikenden als „Geisel“ genommen würden und „auf deren Rücken der Tarifstreit ausgetragen“ würde usw.
Offensichtlich schreibt Günter Wolf Jahr für Jahr seine eigenen Kommentare immer wieder ab oder benutzt einfach nur die gleichen Standard-Textbausteine. Zutreffender wäre sein Kommentar gewesen, wenn er endlich mal wahrheitsgetreu darüber geschrieben hätte, dass umgekehrt die unterbezahlten Beschäftigten in den Rathäusern ebenso wie die von Sparmaßnahmen betroffenen Bürger von denjenigen Politikern „in Geiselhaft genommen werden“, die für die öffentliche Haushaltsmisere als Täter ursächlich verantwortlich sind, aber sich erdreisten, die Arbeitnehmer und Bürger als Opfer dieser fahrlässigen Politik zur Zurückhaltung bei ihren Lohnforderungen zu ermahnen – und das seit 25 Jahren ununterbrochen!
Will man den fleißigen Arbeitnehmern als Leidtragende dieser staatlichen Ausverkaufspolitik alljährlich ein schlechtes Gewissen einreden, weil sie für gute Arbeit faire Entlohnung erwarten? Wenn nicht einmal mehr die das Zeitgeschehen aufmerksam verfolgenden Zeitungskommentatoren merken, was in diesem Staat eigentlich für ein politisches „Schmierenstück“ zur Ablenkung von politischen Kardinalfehlern aller regierenden Parteien aufgeführt wird, wer soll es dann noch durchschauen?
Merken Sie wirklich nicht, dass hier eine gewollte Umverteilungspolitik von der verarmten öffentlichen Hand in die privaten Taschen einiger weniger nachweislich fortgeführt wird, um anschließend die katastrophalen Auswirkungen dieser eigenen Politik auf die maroden Kommunalhaushalte mit Krokodilstränen zu beklagen?